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Istanbul - Datca
In Istanbul anzukommen, ist ja für mich schon lange so etwas gewesen, wie nach Hause zu kommen. Ich bin schon mit dem Zug, dem
Schiff, dem Auto, dem Velo (nur vom Flughafen her), dem Bus und natürlich dem Flugzeug hier angekommen, aber mit dem eigenen
Motorrad die ganze Strecke gefahren zu sein, ist schon was Spezielles.
Mein erster Halt ist wie immer, wenn ich es einrichten kann, in Eminönü. Dort will ich einen eingeklemmten Fisch essen (frisch
gefangene Fische werden auf den Boten filetiert, gegrillt und dann mit Salat in ein halbes Brot eingeklemmt verkauft), aber die
Boote, von denen sie immer verkauft wurden, sind nicht mehr da. Die sind verboten worden, erklärt man mir. Welche Enttäuschung,
bleibt nur noch die Hoffnung, dass diese Gesetze nicht so lange hinhalten.
So schaue ich halt hungrig den zwischen Asien und Europa verkehrenden Schiffen zu, dem hektischen Treiben an Land, den schreienden
Billettverkäufern, den Schuhputzern und dem Feierabendverkehr vor der Kulisse der grossen Moscheen und Paläste.
Mein erster Weg am nächsten Morgen führt mich ins Bilgisayar Hastanesi, zu deutsch Wissenszählerkrankenhaus oder vielleicht besser
bekannt als Computerreparaturservice. Es wurde mir vorausgesagt, dass der PC nach Ankara eingeschickt werden müsse und die dort 7-8
Arbeitstage damit beschäftigt sein werden. Mit dem Zurückschicken also im Idealfall 14 Tage eher 3 Wochen. Um so mehr staune ich,
als man mir sagt: "Wenn's keine Ersatzteile braucht, könne ich ihn um 4 Uhr nachmittags abholen, sonst erst morgen. Und
tatsächlich: Nach zwei Tagen kann ich meinen Laptop mit neuem Mainbord wieder abholen und alles ist in bester Ordnung.
Was soll ich euch von Istanbul schreiben? Die grossen bekannten Sehenswürdigkeiten wie die Moscheen, den gedeckten Basar, der
Sultanspalast usw. werden von richtigen Reiseführern viel besser und genauer beschrieben und sie machen für mich auch nicht Istanbul
aus, das mir ans Herz gewachsen ist. Dem Treiben zuzusehen auf dem Handwerkermarkt, das Rauchen einer Wasserpfeife unter der
Galatabrücke, das Herumflanieren auf den kleinen Märkten und natürlich die Fahrt mit dem Schiff über den Bosporus nach Asien, sind
die Sachen, auf die es mir ankommt. Als ich das eine Mal in Istanbul eintraf und dem Taxichauffeur am Flughafen sagte, er solle uns
zum Landungssteg nach Eminönü bringen, wir wollten im asiatischen Teil ein Hotel suchen, hatten wir die grössten Schwierigkeiten,
dies auch durchzusetzen. Das sei nichts für Touristen und da seien auch nicht die Sehenswürdigkeiten und wir würden dort auch kein
Hotel finden. Seine Argumente waren endlos. Zum Glück blieben wir dabei, es war wunderbar, sich jeden Morgen auf der Überfahrt mit
einem Tee verwöhnen zu lassen und in der Nacht die Hektik in Europa zu lassen.
Boza ist ein für Istanbul typisches Getränk aus vergorener Hirse, das mit Zimt und Ingwer gewürzt wird, aber allerdings nur im
Winterhalbjahr hergestellt und verkauft wird. Ich hatte schon davon gelesen, aber war noch nie dazugekommen, es zu probieren.
Berichten zu Folge soll es himmlisch, abscheulich oder Herz und Seele wärmend sein und das Rufen des Bozaci (Bozaverkäufer) in
eiskalten und einsamen Winternächten soll besonders melancholisch und klagevoll sein. Man kriegt es nur an wenigen Orten und ich
habe es schon mehrmals gesucht, aber bis jetzt erfolglos. Genossen wird es zusammen mit Leblebi (gerösteten Kichererbsen). Eine
Anekdote sagt: "Fragst du einen Bozaci nach einem Zeugen, so gibt er den Leblebici (Kichererbsenverkäufer) an". Einen Ort, wo
Boza zu bekommen ist, habe ich zwar diesmal gefunden, aber zu früh: Vielleicht in einer Woche.
Dafür gab es Kaymak zum Frühstück. Auch dies eine türkische Spezialität, die nicht mehr einfach zu bekommen ist. Bei einem alten
Bulgaren in Besikats hatten wir es noch gefunden. Die abgeschöpfte Sahne von gekochter Milch wird zusammen mit Honig aufs Brot
gestrichen. Eine Köstlichkeit - und man hat nach einem solchen Frühstück für lange Zeit genug gegessen. Auch dazu eine kleine
Anekdote: Der Knecht schwärmt vor den Hirten von Kaymak. "Woher willst du den wissen, wie das schmeckt! Oder hast du mal
probiert?" Knecht: "Ich nicht, aber ich habe zugesehen, wie es die Herrschaften gegessen haben".
Nun aber zu meinem Dilemma: In der Türkei wollte ich vor allem der Schwarzmeerküste entlang. Aber durch die Türkei zu fahren, ohne
meine Freunde in Datca im Südwesten zu besuchen, das geht einfach nicht - und doch, das sind fast 2000km hin und zurück. Nach
einigem Hin und Her entscheide ich mich dafür, das Motorrad für eine Woche in eine Garage zu stellen, und nehme den Bus nach Datca.
Unterwegs reut es mich dann zwar doch, an den Störchen von Selcuk, der alten griechischen Siedlung von Iassos, wo man zwischen den
Bäumen und Sträuchern immer wieder mal ein paar Säulen oder gleich ein Amphitheater entdeckt, und der lieblichen Bucht von Akbük
einfach so vorbeizufahren. Auch auf der wilden Passstrecke durch die Datcahalbinsel würde ich mich auf zwei Rädern wohler fühlen als
im grossen Bus. Aber der nächste Mai und damit die Ägäis-Velotour
kommt ja schon bald.
Hier in Datca mache ich sozusagen Ferien von den Ferien: Ich bade, schreibe diesen Bericht, widme mich meinen Studien über die TCM
(Traditionelle Chinesische Medizin) und geniesse vor allem die Küche von Hüsseyn. Er betreibt hier zusammen mit seiner Frau
Elisabeth das Konak, ein Ferien und Kulturzentrum, wo man neben Koch- und
Türkisch- und anderen Kursen auch die Vielseitigkeit der Osmanisch/Türkischen Küche erleben kann.
Trotz des Dolce-Vita hier in Datca zieht es mich wieder zurück nach Istanbul, wo mein Motorrad und weitere Abenteuer im Osten auf
mich warten - und vielleicht auch ein Boza, die Woche ist ja schon bald vorüber. nach oben, Inhalt
Karte
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Gin-Tonic, Wagner und Sonnenuntergang
Ganz so schnell ging's dann doch nicht nach Istanbul zurück. Oric, ein Archeologe, geboren in Asabeichan, Professor an der
Universität von London, hat bei Kömer, nördlich von Datca, eine Windmühle restauriert und dorthin wurden wir, die Gäste von
Hüsseyin, zum Apero eingeladen. Oben auf der Mühle hinter den Rotorblättern mit Musik von Wagner und einem Gin-Tonic die Sonne
betrachten, wie sie im Meer versinkt, ist ein Schauspiel das man nicht alle Tage erlebt.
In Istanbul nach einer Nacht im Bus und meinem Kaymak-Frühstück treffe ich in Besiktas bei der Fähre nach Asien auf drei Radfahrer
aus Berlin, die soeben nach 5 1/2 Wochen und 2'750km in Istanbul angekommen sind. Ich werde schon ein wenig neidisch.Die haben den
ganzen Weg hierhin geschafft und mein Velo langweilt sich zuhause am Haken.
Mit dem Boza ist wieder nichts. Ich bekomme die gleiche Antwort wie vor einer Woche. "In einer Woche gibt's erst wieder."
Die Brücke nach Asien
Ich sitze wieder auf meinem Motorrad. Die Pause war gut, jetzt habe ich wieder richtig Lust zu fahren. Der Motor summt leise unter
mir - zwar nicht ganz so ruhig wie auch schon, ein bisschen rauher, wenn man ganz genau hinhört, aber zum ganz genauen Hinhören habe
ich jetzt keine Zeit, denn jetzt fahre ich auf die Brücke, die mich über den Bosborus nach Asien hinüberbringt. Eine prächtige
Aussicht nach Istanbul auf der einen Seite und den Bosborus hinauf bis fast zum schwarzen Meer auf der anderen hat man von der
Brücke und weit unten auf die Tanker, Container- und Passagierschiffe, die vom Schwarzen- zum Marmarameer fahren. Leider gibt's
keine Möglichkeit anzuhalten, um die Aussicht zu geniessen und ein paar Fotos zu machen. Die vielspurige Autostrasse ist zu stark
befahren und der schmale Pannenstreifen wird auch noch als Fahrspur benützt.
Es ist wieder einmal ein ganz spezieller Punkt auf meiner Reise, ein neuer Aufbruch nach einer Pause, die Überfahrt nach Asien, neue
Abenteuer, die mich erwarten, freudige Erregung, aber auch ein bisschen Angst ist immer dabei - ein kurzes Stottern des Motors
reisst mich aus meinen Träumereien. Oder bin ich nur aus Versehen ein wenig vom Gas weg? Alles läuft gut, ausser eben ein bisschen
rauher. Dann ein zweites, drittes kurzes Aussetzen. Rächt sich der Motor dafür, dass ich ihn solange in einer Garage in Istanbul
habe stehen lassen? In Zürich, 10 Tage vor der Abfahrt, hatte ich doch schon ein ähnliches Problem. Damals waren es elektrische
Kontakte, die eben nicht mehr Kontakte sondern Wackelkontakte waren. Es wird schon wieder kommen. Dann plötzlich setzt er ganz aus,
kommt nach 30 Sekunden wieder. Ein paar Kilometer weiter nochmals. Beim vierten Mal nach 40 Km Asien bleibt er dann ganz stehen.
Zum Glück gibt's genügend Platz zum Ausweichen. Also Zeltsack ausladen, Sattel hoch und das Werkzeug hervor.
Erster Versuch: Stecker der Einspritzelektronik reinigen. Erfolglos.
Zweiter Versuch: Stecker der Armaturenverkabelung reinigen. Erfolglos.
Dritter Versuch: Alle Stecker unter dem Tank reinigen, obwohl ich das schon im August gemacht habe. Also muss der Tank auch weg.
Alle Kontakte sehen noch gut aus, wie zu erwarten gewesen war, so bald nach einer Reinigung. Ein Junge bringt mir ein Glas Cay
(Türkischen Tee). Er deutet auf ein Haus vis à vis, wo ein Mann aus dem 2.Stock mir freundlich zuwinkt. Ich geniesse den Tee und die
türkische Gastfreundschaft und wende mich dann wieder meinem Motorrad zu. Nach dem vierten Kontrollieren entdecke ich, von anderen
Kabeln verdeckt, noch einen Stecker. Ich mache ihn auf -
und tatsächlich: Der da ist extrem stark oxidiert.
Reinigen, alles wieder zusammensetzen, den Tank drauf, die Benzinleitung wieder anschliessen und der Motor startet sofort. Beim
Weiterfahren wird's klar, das Rauhe im Motorengeräusch ist verschwunden, er summt wieder leise wie es sich gehört. Ich habe ein
gutes Gefühl, dass die Reparatur jetzt so ausgeführt ist, dass ich eine Weile keine Probleme mehr damit haben werde - Inshalla.
Die Schwarzmeerküste
Nicht zu vergleichen mit dem Mittelmeer. Rauher und wilder. Doch was soll ich beschreiben? Was nützt es euch wenn ich euch vom Auf
und Ab der Strasse, von den Büschen und Wäldern, die sich die Meeresküste mit den kleinen Buchten und Fischerdörfern teilen, erzähle,
ich müsste mich 1000 mal wiederholen. Haselnüsse, die Türkei ist der weltgrösste Produzent, Tee und Tabak wird hier vor allem
angepflanzt. Kaum Industrie, ein wenig Tourismus nur während der Sommermonate und beinahe ausschließlich Türken. Man sieht's den
Dörfern an. Nur Kinder und alte Leute, wer kann, geht in die Stadt oder in den Süden, wo's mehr Arbeit gibt.
Zwischen Amasra und Sinop führt eine kleine Strasse mit kaum Verkehr in der Höhe zwischen null und 300 Metern der Küste entlang.
Ideal zum Fahrradfahren, die Hälfte der Strecke geht bergab, wie der Rest aussieht, könnt ihr euch denken. Auch die Versorgung ist
ideal. Teehäuser und kleine Läden gibt's immer wieder und in vernünftigen Abständen auch Hotels. In der safRAD Velotour vom nächsten
August befahren wir die schönsten Streckenabschnitte der Schwarzmeerküste safRAD
nach oben, Inhalt Karte
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Ich bin ja in der Türkei nicht gefahren wie vorgesehen. Mit der Karte habt ihr die Übersicht wieder besser .
Erst mal eine kleine Korrektur. Ich habe ein wenig beschissen im letzten Bericht. Ich war noch gar nicht in Sinop sondern erst in
Inebolu. Für die Meisten von euch ist das nicht relevant, denn die Küste ist gleich schön, nur dass es gegen Sinop die etwas
grösseren Städtchen hat. Für jene allerdings, die diese Strecke mit dem Velo fahren wollen, gibt's einen wesentlichen Unterschied.
Es ging zwar nach Inebolu immer noch rauf und runter aber nicht mehr so steil, so hoch und zwischendurch wars sogar richtig flach.
Waren im ersten Teil auf 150 km 3338 Höhenmeter zu überwinden, was ein durchschnittliches Gefälle von 4,5% gibt, so waren es nach
Inebolu nur noch 1450 Höhenmeter auf 171 km und somit 1.7%. Und nur wenig mehr Verkehr.
In Unye sitze ich auf einer Bank am Meer, als ich ein "Grüezi" höre. Schweizerdeutsch mit einem leichten türkischen Akzent. Er
stellt sich als Tuncay vor. 32 Jahre habe er in Romanshorn gearbeitet und konnte nur in den Ferien in die Türkei. Jetzt sei er
pensioniert und gehe in die Ferien in die Schweiz. Der Abschied sei schwer gewesen, seine Freunde nach 32 Jahren zu verlassen, da
sei er schon den Tränen nahe gewesen, aber mit AHV und Pensionskasse könne er hier gut leben und die Türkische Sonne geniessen. Er
wohne in Pamukkale und könne jetzt erst die vielen verschiedenen Regionen der Türkei kennenlernen. Die Schwarzmeerküste sei schon
wunderbar, fast wie die Schweiz. In jedem kleinsten Dorf trifft man in der Türkei einen zurückgekehrten Fremdarbeiter und sonst wird
er von anderen geholt, dass der Schweizer Motorradfahrer auch begrüsst wird.
Giresun ist eine Stadt mit 55000 Einwohnern, bedeutend als Umschlagshafen für Hasel-, Wahlnüsse und Tee. In Reiseführern wird sie
kaum erwähnt. Mich verschlägt es hierhin, weil ich heute genug gefahren bin und das Wetter nicht genug sicher aussieht für eine
Übernachtung draussen. Schnell finde ich ein günstiges Hotel und mache mich auf zur Entdeckungstour. Man möchte meinen, alle
Einwohner seien auf der Strasse. Es herrscht ein unglaubliches Treiben von Leuten die flanieren, einkaufen, von der Arbeit
heimkehren und unterwegs ins Teehaus sind. Auch mich verschlägt's ins Teehaus und zwar in ein besonderes. Nicht nur, dass es nicht
in einem alten Gebäude ist, sondern auf dem Dach eines Einkaufszentrums. Normalerweise bin ich einer der jüngsten Gäste, nicht so
hier. Man hat eine Musikbox aufgestellt, und so versammelt sich hier die Jugend zum abendlichen Schwatz. Aber sonst sieht alles aus
wie in einem herkömmlichen Teehaus. Es wird geraucht, Tee getrunken, manchmal auch ein Mineral, keinen Alkohol. Fast hätte ichs
vergessen: Die Frauen sind in diesem Teehaus ebensogut vertreten wie die Männer, das sieht man sonst fast nie. Bei mir hinterlässt
die Stadt einen sehr sympathischen Eindruck und es bestätigt sich wieder mal, das es sich lohnt, Orte zu besuchen, auf die nichts
Besonderes hinweist.
Bei Tirebolu verlasse ich die Küstenstrasse, die seit Sinop nicht mehr besonders attraktiv ist, und fahre einem Fluss entlang hinauf.
Schon nach wenigen Kilometern ändert sich die Szenerie komplett. Wenn die Strassen und Häuser nicht in schlechterem Zustand wären,
könnte man meinen, man sei in einem Bündnertal in der Schweiz. Als ich vor drei Jahren hier mit dem Velo unterwegs war und Ueli
wegen Bauchschmerzen und Durchfall kaum mehr fahren konnte, fragten wir in einem Restaurant, wie weit es denn noch sei bis zur
Passhöhe? "Flach bis zur Abzweigung und dann nur 1 km bergauf." Es wurden dann 16km und 1000 Höhenmeter. Kilometerangaben von
Einheimischen können alles sein, nur nicht richtig.
Das letzte Mal, als ich hier die Klöster von Sumela besuchte, war alles mit dickem Nebel verhangen. Die Malereien waren zwar sehr
beeindruckend, aber vom Speziellen, nämlich der Lage mitten im Fels, konnte man nichts sehen. Diesmal habe ich mehr Glück. Der
wunderbare Sonnenschein gibt die Sicht auf das Kloster schon von Weitem frei. Auch die Besichtigung der Sumela-Klöster ist auf der
safRAD Velotour vorgesehen. safRAD
Nach dem obligaten Tee in Rize, der türkischen Teestadt, suche ich mir ein schönes Plätzchen am Meer für die Nacht, um mich vom
Schwarzen Meer zu verabschieden. Gerade rechtzeitig, um vor dem Sonnenuntergang noch ein Bad zu nehmen, finde ich eines. Es wird
früh dunkel. Nicht nur, dass der Herbst fortschreitet, ich habe mich auch um 21 Längengrade in den Osten bewegt, seit ich eine
Zeitzone passiert habe. Da pro Längengrad die Sonne 4 Minuten früher aufgeht macht dies schon fast 1 1/2 Stunden aus. Bis nach
Dogubeyazit, dem östlichsten Punkt meiner Reise, sind's dann nochmals 3 Grade.
Im Dunkeln koche ich dann mein Risotto, das ich noch von Italien habe, lege mich in den Schlafsack, lausche dem Meeresrauschen und
schaue in den Sternenhimmel, bis mich der Schlaf übermannt. Als ich noch mitten in der Nacht aufwache, sehe ich keine Sterne mehr
und plötzlich realisiere ich: Mein Aufwachen war nötig - es regnet. Zum Glück habe ich mein Zelt schon ein paar Mal aufgestellt,
sodass es auch im Dunkeln einigermassen schnell geht. Jedenfalls bin ich und all mein Material drin, bevor es so richtig losgeht.
Hab ich gesagt "all mein Material"? Gemeint hab ichs jedenfalls. Am Morgen musste ich feststellen, dass Socken und Stiefel draussen
geblieben sind. Na ja, es hätte schlimmer kommen können.
Aus dem morgendlichen Bad ist dann nichts geworden. Der Regen hat zwar aufgehört und sogar das Zelt ist ziemlich trocken geworden,
aber die grosse Lust dazu ist nicht da. Noch ein paar Kilometer dem Schwarzen Meer entlang und ich komme an die Grenze zu Georgien.
Zurück nach Hopa und von hier ins Ladesinnere. Durch ein breites felsiges Tal geht's aufwärts. Das Wetter ist wechselhaft, jedoch
nur ganz ein paar wenige Tropfen fallen und es sieht nach Schönerwerden aus. In Artvin habe ich Hunger. Von der Strasse zum Dorfkern
geht's dann aber noch 300 Höhenmeter hinauf. Kaum habe ich bestellt, beginnt's zu regnen und zwar so, wie ich es noch nie gesehen
habe. Nussgrosse Hagelkörner. Innert Minuten wird die Strasse zum Fluss. Die Räder meiner BMW sind bis zu den Bremsen im Wasser.
Als ich bezahle, scheint die Sonne. Nur noch
Steine und Erde auf der Strasse zeugen vom Gewitter. Die Strasse steigt immer weiter an. Das Wetter wechselt immer noch zwischen
kurzen kleinen Regenschauern, Sonne und meistens bewölkt. Ich bin schon über der Baumgrenze. Jetzt eine Spitzkehre nach der anderen,
auf 2600 m sollte die Passhöhe sein. Endlich bin ich oben, doch da kommt der erwartete Abstieg nicht. Eine riesige Hochebene
und schönes Wetter soweit man sehen kann. So empfängt mich Ostanatolien. nach oben, Inhalt
Karte |
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Dass die Türkei ein grosses Land ist, vor allem für einen, der aus der Schweiz kommt, hab ich ja schon gehört. Und dass man diese
Weite auch erleben kann, am Meer, in den Ebenen um Konya, auf dem Nemrut Dag oder in Kapadokien, durfte ich auf meinen vielen Reisen
durch die Türkei schon oft erfahren. Aber die Weite, die ich hier in Ostanatolien gesehen habe, hätte ich dann doch nicht erwartet.
Über hunderte von Kilometern, zwischen 1600 und 2100 Metern über Meer, reiht sich eine Ebene an die andere. Unterbrochen durch
sanfte Hügelzüge und kleine Täler, verbunden durch eine Strasse, die sich in der Unendlichkeit des Horizonts verliert. Die Auf- und
Abstiege sind so sanft, man merkt kaum, wie man an Höhe gewinnt. Die Radfahrer mögen mir diese Aussage eines Motorradfahrers
verzeihen.
Plötzlich, nach der tausendsten Hügelkette, die ich überquere, erscheint er vor mir. Im ersten Moment bin ich nicht ganz sicher. Ist
es nur ein Wolkengebilde? Doch dann ist er immer klarer zu sehen. Der Ararat. Ganz alleine, sanft ansteigend, von beiden Seiten
gleichmässig, in einen schneebedekten Gipfel führend, steht dieser heilige Berg, mit seinen 5165 Metern der höchste Gipfel der
Türkei, vor mir. Noah soll mit seiner Arche nach der Sintflut an diesem Berg gestrandet sein. Schon viel habe ich über diesen Berg
gehört und gelesen. Vielleicht war es auch nur der Name, der eine besondere Anziehung auf mich ausübte. Als er jetzt, viel früher
als ich erwartet habe - ich bin noch fast 100km von ihm entfernt - vor mir steht, bin ich tief berührt. Ich setzte mich auf einen
Stein neben der Strasse, schaue den Ararat an und geniesse die Stille um mich herum. Es ist mir ein wenig, als wäre ich an einem
Ziel angekommen. Als ich mich danach doch wieder auf mein Motorrad schwinge, um wirklich zum Fuss dieses Berges zu fahren, muss ich
immer wieder anhalten und ihn betrachten. Man sagt, der Gipfel sei immer in Wolken gehüllt. Ich habe anscheinend Glück, denn es hat
nur sehr wenig Wolken und einen Moment lang ist der Gipfel ganz frei.
Vor drei Tagen habe ich ein bisschen den Einsamkeitskoller gehabt und mir gewünscht, auf irgendwelche Touristen zu treffen, um ein
wenig zu plaudern. Seitdem ich Istanbul verlassen habe, hatte ich keine Möglichkeit mehr zu reden, "wie mir der Schnabel gewachsen
ist". Man hat zwar schnell Kontakt mit den Türken, aber für eine richtige Diskussion langt mein Türkisch nicht und irgendwann hat
man auch genug vom Woher, Wohin, Arbeit, Kinder und die Türkei gefällt mir gut. In Dogubeyazit, am Fusse des Ararat, fahre ich hoch
Richtung Ishakpasa Sarayi und komme an Murats Camping vorbei. Ein paar Wohnmobile sind da. Wie es sich herausstellt, ist es ein
Treffpunkt für Reisende Richtung Irak und zurück. Ich verbringe einen interessanten Abend mit einer sehr gemischten Gruppe. Es sind
da das pensionierte Ehepaar, das auf den ersten Blick eher auf einen Campingplatz im Sommer an der Adria gehört, sich aber als das
passionierte Weltenbummlerpaar heraustellt auf dem Weg nach Indien. In etwa einem Jahr gedenken sie nach Deutschland zurückzukehren.
Ein paar gute Tipps zu Syrien, Libanon und Jordanien bekomme ich von ihnen und wieder den Hinweis auf die schwierige Einreise nach
Ägypten. Langsam macht mir dieses Thema Sorgen, schon mehrmals habe ich von den Schwierigkeiten gehört, die es geben soll, wenn man
mit dem Motorrad nach Ägypten will. War ich da vielleicht etwas arglos? Wir werden's sehen.
Der Däne, der auf dem Rückweg von einer 6-monatigen Reise von Nepal ist, macht mir beim Reinigen seines Fahrzeuges ein wenig den
Eindruck, als wäre sein Landrover wichtiger als die Reise. Mehrmals entschuldigt er sein Tun, er habe ihn jetzt seit zwei Monaten
nicht mehr gewaschen. Dann ist da noch das australische Paar, das mit ihrer Yahama auf dem Heimweg ist. Sie sind ein wenig nervös,
denn morgen gehts weiter in den Iran, und muss sie dann ihre Haare unter einem Kopftuch verstecken und welche Probleme gibts denn
noch beim Grenzübergang? Und nicht zu vergessen der spanische Verrückte, der auf dem Rückweg ist, aber eigentlich erst in den Iran
will, aber sicher wieder hierhin zurückkommt, sobald er kann, um den Ararat zu besteigen. Er macht auch grad schon mit Ali ab, dem
erfahrenen Araratbergführer und Mt. Everest-Besteiger. Jedenfalls der Abend wird lang und auch die Gläser bleiben nicht leer.
Übrigens, für die Wanderer und Bergsteiger: Wer den Ararat besteigen will, bekommt hier auf Murats Camping Führer und die nötigen
Bewilligungen und Informationen. Hier in Dogubeyazit bin ich auf dem 44. Längengrad, dem östlichsten Punkt meiner Reise. Von jetzt
an geht's nur noch südlich und westlich.
Ich für meinen Teil beschliesse, einen Tag hier zu bleiben und auszuspannen und natürlich zum Ishakpasa Sarayi zu gehen. Dies ist
auch so eine Sache, die schon lange in meinem Kopf herum spukt. Gesehen haben ihn wahrscheinlich die Meisten von euch schon. In
jedem türkischen Reisebüro hängt ein Plakat von ihm und er kommt in mehreren Filmen vor. Das Bild sagt euch sicher mehr, als wenn
ich ihn beschreiben würde. Wie ich schon erwähnt habe, ist der Ararat ganz selten nicht in Wolken gehüllt, aber die Götter meinens
besonders gut mit mir. Am nächsten Tag ist wirklich keine einzige Wolke zu sehen und der Ararat zeigt sich in seiner vollen Pracht.
Die Weiterfahrt bis und um den Vansee ist wieder gleich
faszinierend wie vor dem Ararat. Ich fahre noch zum Nemrut hinauf, einem Kratersee. Nicht zu verwechseln mit dem Nemrut Dag, einem
Berg weiter westlich bei Aydiaman. Zum Übernachten finde ich ein herrliches Plätzchen, aber leider sind Wolken aufgekommen und es
sieht nach Regen aus. Der Hirte oben bestätigt meine Befürchtungen. So fahre ich weiter und lande in Batman, nur noch 130km von der
syrischen Grenze entfernt.
Morgen gehts über die Grenze, das heisst mich verabschieden von der Türkei, keine Möglichkeit mehr, mich mit den Einheimischen in
ihrer Sprache verständigen zu können, Enthaltsamkeit, was das abendliche Bier angeht und nicht mehr mit den Millionen um sich werfen
können - und das für immer. Die Türken wollen auf nächstes Jahr sechs Nullen bei ihrer Währung streichen. Ich kann sie ja verstehen,
aber es war doch für jeden Touristen etwas Besonderes, wenn er beim Bezahlen noch eine Million Trinkgeld dazugeben konnte (1'000'000
Türkische Lira = 0,86 sFr.). Vom Benzinpreis (2,3 Millionen (1.93) pro Liter), der mein Reisebuget immer an sein Limit getrieben hat,
verabschiede ich mich gerne. Ich habe mich in den 24 Tagen, die ich in der Türkei verbracht habe, an viel Bekanntem erfreuen können,
aber auch viel Neues gesehen. Vor allem der Teil der Schwarzmeerküste zwischen Amasra und Sinop und die Hochebenen von Ostanatolien
haben mich so begeistert, dass ich sicher nicht das letzte Mal hier gewesen bin. Auch eine safRAD-Velotour in dieser Region schwebt
mir vor. Ich hab sie noch nicht konkret, aber das eilt ja auch nicht.
Ich bin in Nusaybin angekommen. Der Nachmittag ist noch ausgefüllt mit Internetcafé, Post und diversen Kleinigkeiten und nicht zu
vergessen, am Abend noch die letzten Millionen veressen und vertrinken. Morgen um 10 Uhr geht die Grenze auf und da habe ich vom
Hotel aus noch einen Weg von 50 Metern bis zu meinen nächsten Abenteuern. Von diesen werde ich Euch aus Syrien Berichten - Inshalla.
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reko@safrad.ch
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