s a f R A D
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An der Grenze dauert es. Gepäckkontrolle, Passpolizei, Zoll, Schlusskontrolle... oh, die Fahrzeugkontrolle habe ich vergessen!
Zurück auf Feld Nummer 3. Wie ein Leiterlispiel kommt es mir vor. Dann ist die Türkei abgeschlossen und das grosse Tor wird geöffnet.
Auf der Syrischen Seite werde ich als Europäer ins Büro des Chefs geführt. Er heisst mich willkommen und lässt mir erst einmal Tee
bringen. Ich bekomme einen Grenzbeamten zugewiesen, der mit mir den ganzen Parcour durchmacht. Zusätzlich kommt hier noch die Bank
und das Versicherungsbüro dazu, die Fahrzeugversicherung von zuhause wird von den Syrern nicht anerkannt. Der Beamte, der mich
begleitet, setzt sich gewaltig für mich ein und beruhigt mich immer wieder, es gehe nur noch fünf Minuten. Nach einer Weile stellt
sich noch ein syrischer Englischlehrer dazu, der auf seine Mutter wartet, die von der Türkei kommt. Die Freundlichkeit ist gross,
die Anzahl der Amtsstellen auch. Bei der Schlusskontrolle ist der Beamte zuerst ganz misstrauisch, als er dann aber sieht, dass ich
alle Papiere und Stempel habe, sieht man ihm die Erleichterung an. Er öffnet das Tor: "Welcome to Syria" meint er und lacht
übers ganze Gesicht.
Für mich ist das mit den Büros noch nicht ganz fertig. Es fehlt mir noch das syrische Geld und bei den Benzinpreisen ist mein Tank
natürlich leer. Ich suche eine Weile, bis ein Polizist, den ich nach dem Weg frage, einen Jungen abkommandiert. Er bringt mich zu
einem unscheinbaren Eingang zwischen einem Gemüseladen und einem Kiosk. Ich gehe die schmale, schmutzige Treppe hoch und stehe in
der riesigen Eingangshalle der Commercial Bank of Syria. Meine Travelerchecks allein genügen dem Angestellten nicht, ich muss noch
den Kaufbeleg bringen, und oh Schreck, er hat eine Unstimmigkeit gefunden. Bei der Checknummer hat es auf dem Kaufbeleg vorne eine
Null mehr. Das kann er unmöglich akzeptieren. In der Zwischenzeit kommt ein Mann aufgeregt hoch und schreit irgendwas von Moto. Es
stehe eine riesige Menschenmenge um mein Motorrad und spiele damit. Ich gehe hinunter und tatsächlich: In mehreren Reihen stehen die
Leute um meine BMW, schauen und diskutieren. Ein
Polizist ist auch dabei, ich solle nur wieder hochgehen, er werde schon aufpassen. Mit meinen anderen Travelerchecks in USD klappt's
dann. Mit Bargeld versehen verlasse ich die Bank, tanke und fühle mich am Stadtrand in einem kleinen Laden einen Tee trinkend nach
4 1/2 Stunden so richtig in Syrien angekommen. Gerne möchte mich der Ladeninhaber zu sich nach Hause zum Essen einladen, aber da
mein Magen seit gestern abend verrückt spielt, muss ich leider absagen.
Jetzt ist wieder Schwitzen angesagt. In der Türkei habe ich mich in meinen Töffkleidern immer wohlgefühlt. Jetzt bei Temperaturen
um die 33 Grad kommt wieder das Abwägen zwischen Sicherheit und Bequemlichkeit. Während der Fahrt ist es ja noch auszuhalten, aber
kaum wird man langsamer, tropft der Schweiss. Zum Glück kann man meistens ziehmlich zügig fahren. Die Strassen sind gut, Verkehr
hat's wenig und Städte nur alle 100km.
Obwohl die Weite, die ich in der Türkei so genossen habe, hier noch viel grösser ist, weil alles topfeben, bleibt mein subjektiver
Eindruck von der unendlichen ostanatolischen Weite. Vielleicht, weil man in der Türkei zwar den nächsten Hügelzug als Ende gesehen
hat, aber wusste, dass dahinter der nächste kommt, oder weil es grüner war und mir deshalb besser gefallen hat?
Hatte ich topfeben gesagt? Nicht ganz, immer wieder hat es kleine Hügel. Das sind sogenannte Tell's, unter denen bis zu 12'000 Jahre
alte Städte zu finden sind. In dieser Region hat es unzählige davon. Die Archäologen werden noch bis in alle Ewigkeiten mit
Ausgraben beschäftigt sein. Sie erinnern mich an ein Buch von Agatha Christie, die 1936-1939 ihren Mann, den Archäologen Max
Mallowan auf die Ausgrabung des Tell Brak begleitete. Die Hauptstadt des Mitannirreiches, das seine Blütezeit 1550-1300 v. Chr.
hatte. Im Buch "Erinnerungen an Glückliche Tage" beschreibt sie diese Ausgrabunsgzeit. Eine Szene kommt mir immer wieder in den Sinn.
Sie erzählt darin, wie sie mit ihrem Fahrer schimpft, weil er mit dem Auto beinahe eine Fussgängergruppe überfährt, die sich nur
noch knapp in den Strassengraben flüchten kann, und wie dieser kein Verständnis für die Schelte hat und meint, es seien ja nur
Ungläubige und keine Christen gewesen.
Gegen Abend komme ich nach Deir-ez-Zor, eine Stadt am Euphrat. Es herrst hektischer Betrieb. Der Suq (Markt) beginnt gleich
hinterhalb meines Hotels, aber ich ziehe heute das
Ruhigere vor und die Märkte sind am Morgen sowieso interessanter. Entlang des Euphrats gibt's ein paar schöne Teehäuser. Auf den
Fluss schauend geniesse ich meinen ersten Abend in Syrien. Mit dem Markt am Morgen war dann allerdings nichts. Heute hat der Ramazan
begonnen, der Fastenmonat. Das heisst, wer sich daran hält, isst und trinkt nichts zwischen Sonnenauf- und -untergang. Auch Sex und
Rauchen sind verboten. Dafür wird dann am Abend nachgeholt. Für mich bedeutet das, dass ich nach Möglichkeit nur trinke, wenn man
mich nicht sieht und essen tue ich sowieso meistens nur einmal am Tag richtig.
Wüstenfahrt mit GPS. Zwischen Deir-ez-Zor und Palmyra gibt es das Wüstenschloss "Qasr al-Hair ash-Sharqi". Der Kalif Hisham
II liess es 729 als Erholungs- oder Lustschlösschen bauen. Aber das Schloss liegt nicht ganz an der Strasse. Der Reiseführer schlägt
einen riesigen Umweg vor, um dorthin zu gelangen. Ich finde auf der Karte von 1997 ein ganz fein eingezeichnetes Strässchen, das
mich direkt dorthin führen sollte. Also die Gelegenheit, mein GPS (Navigationssystem) einmal wirklich echt auszuprobieren. Bis jetzt
hab ich's nur gebraucht, um gewisse Punkte und Abzweigungen Jahre später wieder zu finden, als zusätzliche Bestätigung, um nicht so
häufig auf die Karte schauen zu müssen und, ich geb's zu, um zu spielen. Ich rechne also aus der Karte die Abzweigungs- und
Kreuzungspunkte aus, gebe sie ins GPS ein und fahre los.
Nach 80km, als das GPS die Position der Abzweigung anzeigt, geht ein ganz kleiner Feldweg ohne Beschriftung von der Hauptstrasse weg.
Ich fühle mich zwar nicht ganz sicher, ob das der gesuchte Weg ist, aber ich fahre trotzdem mal los. Schon auf den ersten Kilometern
hat es viele Abzweigungen und Kreuzungen. Die Pisten gehen kreuz und quer durch's Gelände. Ich fahre einfach stur dem Weg entlang,
der am ehesten in die Richtung des kleinen Pfeilchens auf dem GPS zeigt. Doch plötzlich macht der Weg einen grossen Bogen nach
rechts und es kommen keine Abzweigungen mehr in meine Richtung. Ich halte an, kontrolliere nochmal meinen Benzinvorrat (noch 300km),
das Handynetz (Empfang vorhanden) und die Festigkeit des Bodens neben der Strasse (der Boden ist sehr fest). Dann fahre ich los,
quer in die Wüste. Meine Ängste verscheuche ich mit dem Gedanken an den Backtrack-Knopf am GPS. Wenn man den drückt, weist das Gerät
einem denselben Weg zurück, auf dem man gekommen ist.
Es fährt sich gut, der Boden bleibt hart und der kleine Pfeil weist wieder genau gerade aus. Natürlich gehen mir alle Möglichkeiten
durch den Kopf, wie man in der Wüste umkommen und was man dagegen tun kann. Und auch alle Geschichten, die ich gehört habe. Vor allem
ein Buch, das ich auf dieser Reise gelesen habe, wie die Armee das Kambyses, mehrere Tausend Mann, in einem Sandsturm begraben wird.
Nach 10 km bin ich wieder auf einem Strässchen, das etwa in meine Richtung führt. Das Ganze passiert mir ähnlich noch einmal, bis ich
6 km von meinem Schloss entfernt zu einer kleinen Beduinensiedlung komme. Ich biege rechts ab und fahre siegesgewiss die letzten
Kilometer. Der errechnete Punkt nähert sich 4, 3, 2, 1 Kilometer. Kein Schloss zu sehen. 500, 300, 100 Meter - immer noch nichts. 50,
20, 10 Meter, genauer zeigt mein Gerät gar nicht an. Ich steige ab. Ich stehe in der Mitte von Nichts. Mit dem Feldstecher suche ich
den Horizont ab. Nur Wüste. Enttäuscht mache ich mich auf den Rückweg, es hatte doch alles so gut angefangen. Und dann - noch
ziemlich in der Ferne - sehe ich etwas Grosses. Feldstecher her, das sieht eindeutig nach einem grösseren Gebäude aus. Tatsächlich,
gleich neben der Beduinensiedlung steht das Schloss, gewaltig und prächtig. Als ich dann nochmals auf die Karte schaue, sehe ich,
dass das Schloss zwischen zwei Punkten eingezeichnet war und ich den falschen angenommen hatte.
Vom Schloss steht nicht mehr allzu viel, aber schon anhand der Eingangstürme kann man sich vorstellen, wie prächtig es einmal
gewesen war. Über ein kompliziertes Leitunssystem wurde das Wasser von weit hergebracht und die Bäume und Blumen blühten in der
Wüste. Der Rückweg ist einfacher, die Strasse wurde in der Zwischenzeit geteert und ist in perfektem Zustand. Unterwegs lädt mich
ein Beduine ein in seine Hütte. Er schickt seine Frau los, um Tee zu kochen. Normalerweise ist der ja immer parat, aber es ist
Ramazan. Als er mir dann auch noch Brot, Gemüse, Käse und Süssigkeiten auftischt, wird es mir schon peinlich. Frau, Kinder und er
schauen zu, wie ich esse und trinke. Nur der Kleinste bekommt manchmal auch etwas. Nach meinem Durchfall von gestern habe ich mir
gedacht, ich kann mich ja schon einladen lassen, es gibt ja doch nichts zu essen, aber mit solcher Gastfreundschaft hatte ich nicht
gerechnet. Gastfreundschaft??? Beim Gehen macht er diese typische Geldzählhandbewegung und sagt etwas von Business. Ich bin ein
wenig enttäuscht, nicht wegem dem Geld, eher wegen der Gastfreundschaft. Beim Herausklauben des Geldes ist er dann ganz entsetzt.
Erst auf der Weiterfahrt kommt's mir in den Sinn. Er wollte meinen Beruf erfahren, womit ich mein Geld verdiene.
Palmyra soll mit Baalbek und Petra die grösste archäologische Sehenswürdigkeit im nahen Osten sein und es ist auch wirklich
riesig. Säulenstrassen, Grabtürme und Tempel sind über eine Strecke von mehreren Kilometern verteilt. Der Ausblick von der Terrasse
des Hotels Zenobia, wo ich mein Zelt aufgestellt habe, ist bei Sonnenuntergang einfach prächtig. Aber so richtig kann mich diese
Stätte nicht in ihren Bann ziehen. Alles Grau in Braun fällt es mir schwer, mir das Leben zu Königin Zenobias Zeiten vorzustellen.
Verzeiht mir meine Subjektivität, alle Anderen mit denen ich spreche, sind begeistert.
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Kreuzritter. Beim Thema Kreuzritter ist mir immer ein wenig unwohl. Wenn man bedenkt, wie sich die Europäer im nahen Osten
aufführten, wie sie niedermetzelten, unterdrückten, raubten und vergewaltigten im Namen des Christentums, während die Christen
unter der muselmanischen Herrschaft ein ganz anständiges Leben führen konnten. Ein Symbol für die Kreuzritterherrschaft in dieser
Region ist die Kreuzritterburg "Krak des Chevaliers", zwischen Homs und Tartous. Eine trutzige Burg hoch über der Landschaft, mit
drei Ringmauern, Rittersälen und vielen Türmen. Vom höchsten Turm, dem Kommandoturm, hat man eine fantastische Aussicht übers Land
und bis zum Meer. Gemäss Reiseführer. Ich kann's nicht bestätigen, denn es ist ein wenig dunstig.
Am Abend in Tartous spricht mich ein älterer Mann an und fragt mich immer wieder:"Wieso kommen denn die Amerikaner und bringen
unsere Brüder, Frauen, Alten und Kinder um? Sollen sie doch das Öl nehmen, aber wieso bringen sie Unschuldige um?" Die Antwort
blieb ich ihm schuldig, aber in meinem Kopf höre ich immer wieder Bush's Aussagen von Freiheit, Gerechtigkeit und Gott. Wieviel hat
sich die Welt geändert seid der Kreuzritterzeit?
Fastenbrechen. Während des Ramazan läuft ja alles etwas langsamer, die Museen öffnen später und schliessen früher und das
ganze Leben wird ruhiger. Je älter der Tag, desto langsamer wird's. Bis etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang. Dann sieht man
plötzlich eilige Leute einkaufen, noch schnell etwas erledigen, um dann pünktlich zum Fastenbrechen am Tisch zu sein. Ich war kurz
vor Sonnenuntergang am Meer entlang unterwegs. An einer Strassenkreuzung warten viele Leute und Autos und alle schauen in die
gleiche Richtung. Doch ausser einem alten Ölfass sehe ich dort nichts. Ich setzte mich auch hin und richte meinen Blick auf das
Ölfass. Ein Mann neben mir deutet, dass es dort ein Feuerwerk gebe. Tatsächlich - ein Knall, ein Lichtpunkt steigt nach oben, ein
zweiter Knall, und der Muezin ruft das Ende des Fastens für heute aus, das wars. Die Leute eilen nach Hause. Der Mann neben mir
entschuldigt sich, er würde mich gerne einladen, aber jetzt geht das nicht, er müsse essen gehen. Wir lachen und er ist verschwunden.
Die Zeit, die dann kommt, geniesse ich ganz besonders. Alles wird fast plötzlich still. Kein Mensch mehr auf der Strasse. In den
Stadtpärken hört man den Wind rauschen und die Vögel pfeifen. Für eine Stunde scheint die Welt den Atem anzuhalten, Dann, nach dem
Essen, kommen die Leute wieder aus ihren Häusern und auf der Strasse wird gefeiert bis in die frühen Morgenstunden.
Der Muezin, über den ich mich früher immer gefreut habe, geht mir langsam auf den Keks. Die fünf Mal zum Gebet aufrufen, das ginge
ja noch, aber jetzt während des Ramazans beginnt er das erste Mal morgens um 4h30, damit man noch Zeit hat, vor dem Sonnenaufgang zu
essen. Vor dem Sonnenuntergang hält er dann noch eine Predigt und um 19h wird dann etwa zwei Stunden lang die Messe über die
Lautsprecher übertragen.
Heute bin ich von Tartous dem Meer entlang Richtung Norden gefahren. Das heisst, dem Meer entlang ging nicht viel. Die Fahrt war
nicht sehr schön. Für die Syrier ist das Meer offenbar nicht so wichtig. In Tartous wäre ein wunderbarer Sandstrand. Dass die
Autostrasse entlang führt, ist ja noch normal. Aber dann gibt's noch einen hohen Zaun, obwohl man durch ein paar Öffnungen
gleichwohl durchgehen kann. Aber der Strand gleicht eher einer Abfalldeponie als einem Erholungsort. Auf der anderen Seite der
Strasse sind dann die Promenadecafés, aber eben das Meer sieht man von da kaum mehr. Zwischendurch höre ich manchmal libanesische
Radiosender in englischer und französischer Sprache. Es sind schon zwei komplett verschiedene Welten, Syrien und der Libanon. Im
Radio forderte der Sprecher die Menschen auf ans Meer zu gehen und die Sonne zu geniessen, vieleicht sind es die letzten wirklich
heissen Sommertage.
Auch auf der ganzen Strecke habe ich keinen schönen Strand gesehen. Gemäss Reiseführer solls zwar ganz an der türkischen Grenze
einen geben. Bis Ugarit bin ich gefahren. Auf diesem Ruinenfeld wurde das erste Alphabeth in Keilschrift von 1200 v. Chr. gefunden.
Frühere Keilschriftzeichen bedeuteten immer Silben. Das war die grosse Revolution. Ohne Ugarit müsstet Ihr jetzt, um dies zu lesen,
nicht nur 26 Buchstaben, sondern ein paar hundert Silben kennen. Diese Ausgrabungsstätte gefiel mir sehr. Man bekommt einen guten
Überblick davon, wie es hier ausgesehen haben könnte. Auf dem Rückweg habe ich dann versucht, einen Weg durchs Gebirge zu finden.
Das war dann sehr schön und wild, nur gab's ein bisschen viel Zickzack.
Noch zum Thema Libanon. Ich hatte ja vor, für ein paar Tage in den Libanon zu reisen, habe aber jetzt beschlossen, es doch bleiben
zu lassen. Zum einen wird es mir einfach zu viel. Wieder neue Eindrücke, wieder ein anderes Land, andere Sitten und zum anderen die
Kosten. Einreisekosten Libanon, wieder erneute Einreise nach Syrien mit Zollgebühren und Versicherung. Auch die Möglichkeit, das
Motorrad in Syrien zu lassen und den Bus zu nehmen, klappt nicht. Mein Töff ist im Pass eingetragen. Wenn ich ohne ausreisen will,
muss ich ihn verzollen. Also lasse ich den Libanon bleiben. Es soll ja auch bei einem nächsten Besuch noch etwas Neues geben.
Hama ist auch wieder so ein Ort, den die meisten schon auf Bildern gesehen haben, ohne es zu wissen. Bekannt sind die
Wasserräder. 15 Naura (Wasserräder), die meisten mit über 20 Metern Durchmesser, gibt es noch auf dem Stadtgebiet. Sie verhalfen
der Stadt in vorislamischer Zeit zu Wohlstand. Durch ihr Wasserschöpfen wurde die ganze Umgebung fruchtbar gemacht. Die Räder drehen
sich je nach Grösse und Wasserstand unterschiedlich schnell, und der Zuhörende hat dabei das Gefühl einer Musik zu lauschen. Das
sagt jedenfalls mein Reiseführer. Bei meinem Besuch ist der Wasserstand sehr tief und sie drehen sich leider gar nicht. Aber schön
ist es trotzdem, dem Orontesfluss entlang zu spazieren und diese riesigen Holzräder zu bestaunen.
Vier Kilometer vor Damascus hat's gemäss Reiseführer einen Zeltplatz und es ist tatsächlich der erste Platz, seit ich Griechenland
verlassen habe, der diesen Namen auch verdient. Mit Wiese, schattenspendenden Bäumen und sauberen Sanitäranlagen. Hier schlage ich
mein Lager für ein paar Tage auf. Meine Waschmaschine habe ich schon in Hama in Betrieb genommen. Waschmaschine? - Die funktioniert
so: Ich habe meine dreckige Wäsche, Wasser und Waschmittel in den grossen wasserdichten Gepäcksack gefüllt und diesen hinten auf's
Motorrad geschnallt. Sonne und Bodenwellen auf dem Weg hierher haben dann ihre Arbeit getan, und jetzt muss ich die Wäsche nur noch
ausspülen und trocknen. Aber auch mein restliches Material beginnt langsam die Strapazen der Reise zu spüren. Zerrissene Hosen, der
Magnet des Zusatztachos fiel ab, die Innentaschen der Alukoffer beginnen überall zu reissen und eine Treckingsandale hat mir des
nachts ein Hund stibizt. Alles Sachen, die nicht so schlimm sind, aber mit denen ich mich in den nächsten Tagen beschäftigen muss.
Natürlich wartet auch die Besichtigung von Damaskus und Umgebung auf mich und es interessiert mich, wie es kommt, dass gleich sieben
deutsche Wohnmobile in Reih und Glied hier stehen sowie das Woher und Wohin des Velofahrers, dessen Tourenrad verlassen auf dem
Zeltplatz ist. nach oben, Inhalt Karte
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Um es gleich vorwegzunehmen, die sieben deutschen Wohnmobile reisen am nächsten Morgen wieder ab. Es sind Teilnehmer einer
Wohnmobilgruppenreise und das ist keine Seltenheit. Zwei Tage später kommt eine Gruppe von 12 holländischen Wohnmobilen. Für mich
ist Wohnmobilfahren immer eine Sache für Individualisten gewesen. Man kann kommen, gehen und übernachten wann und wo man will, aber
mit einer Gruppenreise ist ja alles vorbestimmt, da kann man ja gleich ins Hotel. Und dann ist man in einer Gruppe, aber es kocht
doch jeder für sich. Ich muss es ja nicht verstehen.
Der Velofahrer, von dem ich euch geschrieben habe, ist Belgier. Er ist auf dem Weg nach Peking. Hier hat er einen Monat Aufenthalt,
weil er zum einen Schwierigkeiten mit dem Visa für Pakistan hatte - vor zwei Monaten haben die Bestimmungen so geändert, dass man
ein Visa nur noch in der Botschaft des Heimatlandes bekommt - und zum anderen wartet er auf seinen Sohn, der ihn von hier aus
begleiten wird. Im nächsten Juni will er in Peking sein, damit er genügend Zeit hat, mit dem Zug nach Hause zu reisen. Bei 11
Monaten Hinreise sei das Flugzeug zu schnell für den Rückweg.
Ich mache mich auf den Weg nach Maalula. Das ist ein christlicher Ort, in dem noch Aramäisch gesprochen wird. Jesus soll in dieser
Sprache gesprochen haben. Und man merkt deutlich, das es christlich ist. Die Restaurants sind während des Ramazans auch tagsüber
geöffnet und überall, sogar an Kiosken, werden Wein, Arak, Bier und andere Alkoholika angeboten. Es gibt viele Geschichten und Sagen
um diesen Ort, unter anderem von Rafik Shami. Diesen syrischen Schriftsteller, der seit langem in Deutschland wohnt und auch deutsch
schreibt, kann ich allen Syrienreisenden als Einstimmung empfehlen. Maalula selbst liegt in einer Schlucht, die Häuser an den Berg
geklebt, und zuhinterst wird die Schlucht ganz schmal, sodass man nur noch knapp duchwandern kann. Eigentlich ein sehr schöner Ort,
aber wie meistens, wenn man von etwas schon jahrelang gehört hat und dann endlich mal selber dort steht, ist es dann doch nicht so
gewaltig wie in der Phantasie. Für die Rückfahrt habe ich dann einen anderen Weg gewählt, durch den Antilibanon. Eine wunderbare
Gegend, auch wieder grosse Hochebenen, jedoch der Libanesischen Grenze entlang durch hohe Berge begrenzt. Endlich wieder mal so
richtig schöne Landschaft geniessen.
Am Abend ist ein deutsches Paar mit einem wüstenexpeditionstauglichen Lastwagen auf dem Zeltplatz. Sie sind für sieben Jahre
unterwegs nach Südafrika und von da übers Feuerland bis nach Alaska. Wie es danach weitergehen wird, wissen sie auch noch nicht.
Ursprünglich hatten sie die Reise mit dem Motorrad geplant, aber jetzt haben sie zwei kleine Hunde und deshalb musste halt der LKW
her. Sie machen mir wieder richtig Angst wegen meiner Einreise nach Ägypten. Hinterlegen von 5'000 Euro Kaution und eigentlich wollen
die Ägypter sowieso keine Motorräder im Land. Die Sache wird immer bedrohlicher und die ägyptische Grenze kommt immer näher. Ich
fange schon an, mir Gedanken für einen anderen Rückweg zu machen. Irgendwie hab ich keine Lust, die ganze Strecke in den Winter
hinein wieder zurückzufahren, aber es gibt kaum mehr Passagierschiffe. In gut einer Woche weiss ich mehr.
Das Erste, was mir in Damaskus auffällt, als ich aus dem Minibus aussteige, ist ein Haus mit zahlreichen Zahnarztschildern, und dabei
kommt mir wieder eine Geschichte aus Agatha Christie's Buch in den Sinn. Nach einigen Tagen Zahnschmerzen eines Arbeiters konnte sie
erreichen, dass dieser in die nächste Stadt zum Zahnarzt fuhr. Ganz glücklich kam er zurück, er habe so lange mit dem Zahnarzt
gehandelt, bis dieser ihm für das gleiche Geld gleich drei Zähne gezogen habe. Ich handle ja auch gerne, aber da zieht es mich mehr
in den Suq. Den Suq ist natürlich schon wieder falsch gesagt. Es gibt den prächtigen, touristischen Suq. Er ist in einer überdachten
Passage und es werden Kleider, Teppiche, Schmuck und Lederwaren angeboten. Auf dem Esswahrensuq muss ich drei Händler aufsuchen, bis
mir einer Mandarinen in kleineren Mengen als zwei Kilo verkauft. Aber vor allem muss ich auf den Handwerkermarkt, meinen Magneten
für den Tacho kaufen gehen. Eine sprachbegabte Bekannte hat mir in einem SMS geschrieben, was Magnet auf arabisch heisst, und so
versuche ich gleich beim ersten Motorradhändler ein Marnatis zu kaufen. Unter seinem Gestell nimmt er tatsächlich einen Magnet
hervor, sagt Marnatiiis und sieht mich fragend an. Ich bin zwar ganz stolz auf "meine Arabischkenntnisse", aber der Magnet ist viel
zu gross. Ich zeichne ihm auf, dass der Magnet nur 3-5mm dick sein darf, die Zahlen habe ich schon gelernt, aber er hat nichts. Beim
zweiten Händler meldet sich dann ein Mann, der mit mir auf die Suche kommt, und kurz darauf gehe ich mit einem Marnatiiis in der
richtigen Grösse weiter zur Umayyaden-Moschee, dem Wahrzeichen der Stadt aus dem 12. Jahrhundert.
Vor allem der riesige mit Marmor
ausgelegte Innenhof ist beeindruckend. Der Gebetsraum ist mit vielen Teppichen ausgelegt. Neben betenden Muslimen hat es auch einige,
die einfach nur daliegen oder sogar schlafen. Angeblich sollen hier auch die Gebeine von Johannes dem Täufer liegen, der von den
Muslimen sogar als Prophet verehrt wird. Die kleinen Reparaturen sind erledigt, der Ölstand des Motorrades kontrolliert (das einzige
was ich an Unterhaltsarbeiten für meinen Töff mache) und ich bin bereit für die Weiterreise nach Jordanien.
Als Land für eine safRAD-Veloreise wird Syrien in der nächsten Zeit voraussichtlich nicht auf dem Programm stehen. Ich habe zwar
einzelne sehr schöne Strecken gesehen, aber für eine 2-3- wöchige Tour ist der Osten zu weitläufig, mit nur Hauptstrassen, das
Mittelmeer zu wenig attraktiv und nur die Gegend um Damaskus ist dann doch eher mager. Ansonsten habe ich die Leute als sehr angenehm
empfunden. Keine aufdringlichen Verkäufer oder Bettler und die Hilfsbereitschaft ging sogar so weit, dass ein Syrer bei meinem Zögern
an einer Strassenkreuzung in Todesverachtung und mit wilden Gesten den Verkehr anhielt und mir so über die Strasse half. - Bin ich
schon so alt geworden?
Für den letzten Abend in Damaskus habe ich mir noch etwas ganz Besonderes aufgespart. Das Café Noufara, ein altes Teehaus hinter der
Umayydenmoschee, in dem ein Geschichtenerzähler Geschichten aus Tausend und einer Nacht erzählt. Es ist ziemlich voll, aber ich
finde noch einen Platz. Ich bestelle eine Wasserpfeife und zum Trinken dasselbe wie die Meisten, eine gelb-braune Flüssigkeit mit
Kräutern unten im Glas. Keine Ahnung, was da kommen wird. Obwohl ich kein Wort von dem verstehe, was der Erzähler sagt, ist es sehr
spannend ihm zuzuschauen und zuzuhören. Heftig gestikulierend, mal schreiend dann wieder flüsternd bringt er seine Geschichten dar.
Plötzlich schlägt er seinen Säbel auf den Tisch und herrscht einen Zuschauer an, der nicht genug aufmerksam war. So übersetzt mir
mein Nachbar. Innzwischen ist mein Getränk gekommen. Vorsichtig nippe ich am Glas, vor allem salzig, ich nehme einen grösseren
Schluck, aber ausser Salz kann ich keinen anderen Geschmack ausmachen. Mein Nachbar erklärt mir, es sei Wasser von gekochten Bohnen,
Kamille und Salz. Sehr gesund. Ich glaube ihm, er ist ja Arzt, und trinke brav mein Glas aus. Auch der Geschichtenerzähler endet mit
dem Satz. "Und wenn ihr wissen wollt, wie's weitergeht, dann kommt morgen wieder. Wie ich schon von den Geschichten von Rafik Shami
weiss, hören diese Erzähler immer kurz vor dem Schluss mit dem Erzählen auf, um die Zuhörer zu motivieren morgen wiederzukommen.
Als ich am nächsten Tag vor der jordanischen Grenze tanke und wieder weiterfahren will, ruft mir wild gestikulierend ein Mann nach.
Und wenn ihr wissen wollt, was es mit diesem Mann auf sich hatte, müsst ihr meinen nächsten Bericht lesen.
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Ich halte an, steige ab. Er zeigt auf den hinteren Pneu und bei genauerem Hinschauen entdecke ich den Nagel, der tief im Pneu steckt.
Beim Rausziehen geht dann auch die Luft raus, 10 Meter neben einer Pneuwerkstatt. Der Werkstattbesitzer sieht sich den Schaden an,
geht in die Werkstatt suchen und kommt kopfschüttelnd zurück. Ich habe in der Zwischenzeit mein Flickzeug, das seit 20 Jahren zur
Orginalausrüstung gehört, hervorgekrahmt und da strahlt der Mechaniker wieder. Nach weiteren 10 Minuten ist der Schaden behoben.
Nicht nur, dass der Werkstattbesitzer partout kein Geld nehmen will, er entschuldigt sich noch für die schlechten Strassen in Syrien,
die mir diesen Platten beschert haben. Der Ort für den Platten hätte nicht besser gewählt sein können. Ohne Platten bei 100km/h,
gleich neben der Garage und mit einem neuen Beweis syrischer Gastfreundschaft.
Bevor ich jetzt mit meinem Bericht über Jordanien beginne, ist es mir wichtig, noch Folgendes zu sagen: Ich habe nie versucht,
objektiv zu beschreiben, wie die Türken, Syrer usw. sind, sondern meine persönlichen Erlebnisse zu schildern. Nehmt also auch meinen
Jordanienbericht als den subjektiven Bericht eines einzelnen Motorradfahrers.
Die Grenze zu überqueren geht nach einer Stunde Warten, weil die Jordanier Pause machen, problemlos. Stempel, Versicherung,
Zollgebühren und ich habe mein Transitvisum für drei Tage. Mit einem Motorrad sei mehr nicht möglich, lautet der Bescheid. Ich
verstehe nicht recht, ob ich jetzt eine Verlängerung beantragen muss oder, wenn ich länger bleibe, pro Woche oder pro Tag 5 JD(1
JD=sFr. 1.70) zahlen muss. Kurz vor Jarrash hat es ein paar Kinder am Strassenrand, die als sie mich sehen, Steine nehmen und nach
mir werfen. In der Türkei hat es das auch schon gegeben, nur dass es dort kleine Kieselsteine waren und die Kinder versuchten, ein
Rad zu treffen. Hier handelte es sich aber um faustgrosse Steine, und die waren eindeutig gegen mich gerichtet. Auch die
wutverzerrten Gesichter und die Flüche waren eindeutig. Ich frage mich, gegen wen dieser Hass gerichtet ist. Den vermeintlichen
Amerikaner, gegen alles was aus dem Westen kommt oder gegen den Motorradfahrer? Die Jordanier dürfen seit 20 Jahren nicht Motorrad
fahren. Ausschliesslich die Polizei hat Motorräder.
Amman, die Hauptstatt Jordaniens, besuche ich nur, um mich mit einem möglichen Agenten für eine safRAD-Reise zu treffen. Sonst
bietet die Stadt nicht gerade viel Sehenswürdigkeiten. Sie ist auf und zwischen vielen Hügeln gebaut und hat kein eigentliches
Zentrum. Ich finde ein günstiges Hotel und richte mich ein. Der Betrieb eine Stunde nach dem Fastenbrechen ist wie in den meisten
arabischen Städten laut und hektisch. Nach einem Bananen-Orangen-Drink lege ich mich früh schlafen.
Am Morgen sind meine Alukisten aufgebrochen. Gestohlen wurde zwar nichts, da ausser zwei Benzinkanistern und ein paar Spanngurten
nichts drin war, aber die Schlösser sind kaputt. Ich fahre über Madaba wo es ein 5 mal 25 Meter grosses Mosaik, das eine Weltkarte
darstellt, zu bewundern gibt, weiter zum Toten Meer. Das liebe ich, ins Wasser liegen und entspannen. Es ist schon seltsam, das
Wasser fühlt sich ganz normal an, aber wenn man hinein geht fängt man irgendwann an zu schwimmen, ohne etwas dazu beizutragen.
Auf dem Weg nach Petra werde ich wieder mit Steinen beworfen. Diesmal von Jugendlichen. Ich bin richtig froh um meinen 90 PS starken
Motor. Ein kurzes Drehen am Gasgriff und ich bin aus der Gefahrenzone. Nur ein Stein trifft die Gepäckkiste.
Es bleibt das unsichere Gefühl und die Angst, doch einmal im Gesicht getroffen zu werden. Der Schulbus, den ich überhole und aus dem
die Schulkinder "Fuck you" rufen, trägt noch das Seine dazu bei, dass ich dieses Land schnell wieder verlassen will. Doch Petra, das
muss noch sein.
Abends komme ich in Petra an. Neben dem Visitor Center soll man sein Zelt aufschlagen können. Der Manager ist sehr freundlich. Im
Wäldchen neben dem Busparkplatz sei's kein Problem und die Toiletten seien bis 22 h geöffnet. Aber ich solle das Zelt erst nach
Sonnenuntergang aufstellen. Ich esse zusammen mit einem deutschen Paar, das den gleichen Weg wie ich vor hat, nur in der anderen
Richtung. Sie wollten auch mit dem Motorrad reisen, haben es sich dann aber nach einem Unfall doch anders überlegt und sind jetzt
mit einem Allradauto unterwegs.
Als ich mein Zelt aufstellen will, kommt der Parkplatzwächter ganz aufgeregt und meint, dass das nicht geht. Der Manager vom Visitor
Center, die Touristenpolizei, eine Militärpatrolle und einige Busfahrer und Souvenierverkäufer kommen noch dazu. Am Schluss fragt
man mich dann noch, ob ich keine Bombe dabei habe und ist sich dann, nach meiner Verneinung, einig darüber, dass ich doch hier
schlafen kann und die Militärpatoullie ab und zu vorbeischaut, ob alles in Ordnung sei. So bewacht schlafe ich gut.
Als erster Besucher gehe ich am Morgen um halb sieben durch's Besuchertor nach Petra. In diese Stadt der Nabatäer gelangt man durch
eine 1.7 Kilometer lange Schlucht, die an einigen Stellen kaum einen Meter breit ist. Die Schlucht tut sich auf und man steht vor
einem komplett aus dem Felsen gehauenen Palast. Das Tal wird breit und man sieht hunderte von Häusern, Tempeln, Grabstätten und ein
Theater für 8'000 Personen. Es ist ein riesiges Gebiet, was da vor 3000 Jahren überbaut wurde. Nach einer einstündigen Wanderung
gelangt man zu einem Kloster, von wo man eine gewaltige Aussicht über Berge, Schluchten und Täler hat. Um diese Anlage richtig zu
besichtigen, sollte man sich eigentlich drei Tage Zeit nehmen, aber ich will weiter.
Die Strecke Richtung Akaba ist wundervoll. Erst geht's nochmals auf 1700 Meter mit einer Aussicht übers Petragebiet, dann Wüste und
dazwischen immer wieder Felsen und kleine Gebirge. In Akaba begebe ich mich gleich zum Hafen, um mich nach den Schiffen nach Nuveiba
zu erkundigen. Vor dem Hafen stehen lange Reihen von Bussen, voll mit weissgekleideten Pilgern auf dem Weg nach Mekka. Der grosse
Teil der Pilger aus Afrika auf ihrem Hadsch (Pilgerreise nach Mekka) kommt über Nuveiba-Akaba nach Saudiarabien. Im Hafengebäude
weist man mich erst zum Zoll, zum Billettschalter, und bevor ich es richtig realisiere, bin ich auf dem Schiff nach Nuveiba. Es
erwartet mich Ägypten und die vorausgesagten Schwierigkeiten am Zoll. Vom Schiff aus sehe ich eine Gruppe springender Delfine. Das
soll ja Glück bringen. Ich beschliesse mal, daran zu glauben.
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Als wir um 7 Uhr in Nuveiba ankommen, ist es schon seit über zwei Stunden dunkel. Ein Zollangestellter auf dem Schiff hat mir für
10 Pfund (sFr 2.--) ein Transitpapier ausgestellt, mit dem ich ohne Probleme und mit nur ganz wenig bezahlen, meinen Töff nach
Ägypten hineinbringen soll. Das tönt ja verheissungsvoll. Mal sehen. An Land kommt ein Angestellter der Touristenpolizei zu mir und
fragt mich nach dem Carnet de Passage. Als ich ihm sage, dass ich, wie man das mir auf der Ägyptischen Botschaft in der Schweiz
gesagt hat, keines habe, meint er "Problem" und ich solle mal da drüben hinfahren, er werde mir helfen. Nach dem Kauf von
zwei Marken für $ 15.-- bekomme ich problemlos das Visum für mich. Der Nächste von der Touristenpolizei versichert mir, er werde bei
mir bleiben bis meine Probleme gelöst seien und verschwindet wieder. Es sei alles kein Problem, ich müsse nur $ 5'000 in bar
hinterlegen und dann bekomme ich das Carnet de Passage. Ob ich denn nicht $ 5'000 bei mir habe, fragt er ganz erstaunt. Auf meine
Frage, wo ich denn das Geld wieder zurückbekomme, weiss er keine Antwort. Er könne mir ein 3-Tages-Transitvisum ausstellen. Keine
Ahnung, wie ich dann in Kairo innert der Frist ein libysches Visum bekommen soll. Ich kann nicht alle unmöglichen Vorschläge
aufzählen, die mir unterbreitet werden. Nach 4 1/2 Stunden kommt einem in den Sinn, dass ich ja gar kein Carnet de Passage brauche,
weil mein Töff schon über 20 Jahre alt sei, nur eine Garantie der Schweizer Botschaft, dass ich das Motorrad in Ägypten nicht
verkaufe. Um halb zwölf, mit einem grossen Haufen von Papieren wird mein Töff in einer Baracke eingeschlossen, natürlich nachdem man
mich gefragt hat, ob ich keine Bombe darin habe. Nach einer kurzen Taxifahrt komme ich in Basata an.
"Hoi Jean-Pierre" höre ich eine bekannte Stimme rufen. Ursula, der ich vor
vielen Jahren diesen Ort gezeigt habe, ist hier mit ein paar Freunden in den Ferien. Völlig überrascht freue ich mich natürlich
gewaltig, wieder mal Bekannte zu treffen.
Als Erstes am nächsten Morgen rufe ich die Schweizer Botschaft an. Gleich freundlich wie die ägyptische Touristenpolizei sagt mir
Herr Mario della Chiesa, dass das natürlich nicht geht, aber er werde sich drum kümmern und am Nachmittag zurückrufen. Als ich es
dann am späten Nachmittag nochmals versuche, bekomme ich die gleich unmöglichen Versionen vorgeschlagen wie schon in Nuveiba. Ich
erkläre die ganze Geschichte nochmals und Herr della Chiesa verspricht mir, nochmals zu schauen und morgen wieder anzurufen. Nun
heist morgen aber auf Arabisch Bukra, und wenn du morgen dann nachfragst, bekommst du die Antwort: "Ich habe doch gesagt Bukra".
Das heisst am nächsten Tag heisst morgen immer noch Bukra, und das ist dann wieder der nächste Tag. Herr della Chiesa von der
Schweizer Botschaft hat sich anscheinend den ägyptischen Sitten schon gut angepasst. Ich geniesse meine Zeit in Basata mit Schnorcheln,
Lesen, Schreiben, mache ein paar weitere Abklärungen für mein Motorrad und warte immer noch auf die Antwort der assimilierten
Schweizer. Zwei Möglichkeiten gibt es für die Lösung meines Problems:
- Ich zahle $ 5'000 auf ein Sperrkonto einer ägyptischen Bank. Ein Einheimischer hat mir sogar angeboten, sie mir auszuleihen,
auf mein mündliches Versprechen hin, sie wieder zurückzubezahlen. Bei der Ausreise nach Libyen bekomme ich dann einen
Stempel, dass das Motorrad wieder ausgeführt wurde, und mit dem Zettel kann ich dann persönlich das Geld auf der Bank wieder
abholen - in Kairo. Nur ich bin dann in Libyen, und um mit dem Motorrad das Geld in Kairo abzuholen, muss ich eine Kaution
in der Höhe von $ 5'000.-- hinterlegen, die ich bei der Ausreise wieder bekomme - in Kairo. Von Libyen könnte ich mit dem
Bus nach Kairo das Geld abholen, aber die Libyer werden mich ohne Motorrad nicht aus dem Land lassen.
- Eine 3 -Tages-Transitpassage soll möglich sein ohne Kaution. Nur würde ich dann von Beamten begleitet. Auf meine Frage, wie
das dann gehen soll und was es kostet, weiss niemand eine Antwort. Ich frage noch, ob sie denn ein genügend schnelles
Fahrzeug haben für die Begleitung, mein Motorrad läuft 220km/h. Der Beamte meint nur, das sei ein Problem, aber er bleibe
bei mir, bis meine Probleme gelöst sind.
Ich beschliesse über Jordanien, Syrien, Türkei, Griechenland und Italien zurückzureisen und verschiebe meinen Libyenbesuch aufs
nächste Jahr. Ich muss sagen, dass mir der Entscheid nicht mal schwer fällt. Ich habe schon so viel auf dieser Reise gesehen und
erlebt, dass es vielleicht ganz gut ist, nicht auch noch Ägypten und Libyen zu besuchen. Ich beginne mich auch schon zu freuen auf
Damaskus, Tartous, die türkische Südküste und natürlich auf das Boza in Istanbul. Ich hoffe die Woche
ist jetzt um. Die Rückreise soll dann auch einiges kürzer werden, da ich vor allem in der Türkei grosse Umwege gefahren bin. Habe
ich auf dem Weg hierhin 9'141 Kilometer und 74'436 Höhenmeter zurückgelegt, so rechne ich für
den Rückweg, nach Studium der Karten, mit nur 4'000 Kilometern.
Jetzt kann das Erholen in Basata so richtig
beginnen. Für alle, die noch nie an diesem schönen Flecken Erde waren: Es ist ein Ort, wo nichts läuft. Es ist ruhig und friedlich.
Als Erstes am Morgen gehe ich schnorcheln. Die Korallenriffs sind wenige Meter vom Sandstrand entfernt und ich entdecke jedesmal
neue Fische. Diesmal der Blaupunktrochen und den Steinfisch. Dann mache ich meine Morgenübungen (QiGong). Der Tag vergeht mit Lesen,
Schreiben, Essen und immer wieder Schnorcheln. Das Nachtessen gibts an grossen Tischen zusammen mit den anderen Feriengästen und
dann wird geplaudert bis in die Nacht hinein. Für alle diejenigen, die sich genauer über diesen Ort informieren wollen:
www.basata.com
Die safRAD-Sinai Tour beginnen wir in diesem
Camp. Auf dem Weg zum Katharinenkloster machen wir einen Tag Velopause für einen Tagesausritt mit dem Kamel. Über die Westküste
erreichen wir, normalerweise mit Rückenwind, den Nationalpark Ras Muhamed, einen der schönste Schnorchelorte. Der Ostküste entlang
geht's wieder nach Basata, wo wir nochmals die Gelegenheit haben, in den vorgelagerten Riffen zu schnorcheln oder einfach den Frieden
und die Ruhe hier zu geniessen. Schwieriger ist es dann für mich, meine Gäste daran zu erinnern, das Flugzeug Richtung Heimat zu
besteigen.
Heute mache ich mich auf den Rückweg. Ein letztes Mal schnorcheln und dann heisst es sich verabschieden, für ein Jahr. Für den
nächsten Herbst habe ich schon ein Haus reserviert. Ich bin gespannt, was mich am Hafen erwartet. Bekomme ich meinen Töff ohne
Probleme oder muss ich da auch wieder ein paar Stunden kämpfen? Abends sollte ich dann in Akaba sein. Inshalla!!
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Erster Teil Bis nach Istanbul
Zweiter Teil Türkei
Vierter Teil Rückreise
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